Prof. Dr. Ulrich Frank Montgomery
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Editorial für die Dezember Ausgabe des Hamburger Ärzteblattes zu den Koalitionsverhandlungen

Rückwärts in die Zukunft?

26.11.2013

CDU/CSU und SPD haben vor einigen Tagen ihren Entwurf eines Koalitionsvertrages für die nächsten vier Jahre vorgestellt. Eine parteipolitische Wertung, wer sich nun durchgesetzt und wer den Kürzeren gezogen habe, verbietet sich. Ist auch nicht nötig, denn in der Kleinteiligkeit des Handelns war man sich an vielen Stellen bemerkenswert einig. Natürlich ist dabei neben viel Banalem auch Richtiges. Zum Beispiel soll die Rolle der Hausärzte gestärkt werden, es sollen klare Antikorruptionsregeln formuliert werden und in unterversorgten Gebieten sollen alle an der Versorgung Beteiligten Medizinische Versorgungszentren gründen können. Diese müssen nicht mehr fachübergreifend sein. Auch wichtig: Der bisher bekannte Regress wird abgeschafft und in regionale Vertragsverantwortung gegeben. Die Liste der Positiva ließe sich fortsetzen, das sei an dieser Stelle klar gesagt. Und doch atmet der ganze Vertragsentwurf einen anderen Geist – es ist kein Entwurf der Freiheit, sondern der Gängelung. Am schlimmsten aber ist: Er   bedeutet eine Rolle rückwärts in die Misstrauenskultur vergangener Legislaturperioden.

Am Anfang steht wieder einmal eine Stärkung der Krankenkassen. Diese sollen jetzt eine gesetzliche Koordinierungsfunktion beim Entlassungsmanagement der Krankenhäuser bekommen, sie sollen vor allem Freiräume im „integrierten und selektiven“ Wettbewerb erhalten, und sie sollen den Medizinischen Dienst der Krankenkassen (MDK) zu unangemeldeten Kontrollen in die Krankenhäuser schicken können.

Als nächstes findet dann der Ausbau des Gemeinsamen Bundesausschusses (GBA) zu einer kontrollierenden und die Versorgung defi nierenden Oberbehörde statt. Nicht nur ein neues Qualitätsinstitut soll gegründet werden, ein Innovationsfonds von 300 Millionen Euro soll dem GBA überantwortet werden, aus dem unter anderem Versorgungsforschung finanziert werden soll. Die Festlegung der Kriterien zur Krankenhausplanung der Länder soll durch den GBA geleistet werden. Damit wird der GBA endgültig zur größten Bürokratie-Apparatur im Gesundheitswesen aufgebläht.

Am Ende nutzt das alles weder den Ärztinnen und Ärzten noch den Krankenhäusern. Vieles davon schadet sogar den Patienten. Die brauchen Versorgung statt Bürokratie, sie brauchen motivierte und gut bezahlte Ärzte statt Krankenkassenmacht, und sie brauchen den Erhalt der Versorgungsqualität statt bürokratischer Qualitätsinstitute. Insofern ist der Koalitionsvertrag eher ein Krankenkassenstärkungsvertrag als ein Fortschritt.

Zwei Bonmots aus dem „Klein-Klein“ will ich Ihnen nicht vorenthalten. In Zukunft sollen alle Patienten mit Überweisung einen Facharzttermin innerhalb von vier Wochen bekommen. Klare Botschaft : Überweisungen wird es zukünftig nur nach Konsultation des Arztes und nicht mehr nur auf Wunsch des Patienten geben. Ob damit etwas zur Beschleunigung von Patientenwünschen (Wählerwünschen?) gewonnen wäre, ob damit gespart werden kann? Ich bezweifle das.

Und die 17 an der Formulierung des Koalitionsvertrags beteiligten „Experten“ haben sich nicht nur für eine Stärkung der Disease-Management-Programme (DMP) ausgesprochen, sie erteilen sogar den Auft rag im Regierungsprogramm zwei DMP neu zu entwickeln. Für „Rückenschmerzen“ und „Depression“. Wer von den beiden Verhandlungsführern hatte wohl Kreuzschmerzen und welcher war depressiv? Eine wahrlich regierungsrelevante Frage.

Mit Spannung erwarten wir jetzt das Ergebnis des Mitgliederentscheids einer der beiden Partner. Vielleicht besteht ja danach die Chance, die Karten noch einmal neu, besser, zu mischen.




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